Entgiftung

Ein Erfahrungsbericht und warum die Leber so gütig ist.

Ein Erfahrungsbericht und warum die Leber so gütig ist.

Ich wurde ziemlich ordentlich mit Medikamenten zugedröhnt auf die Station gebracht, die Türen schlossen sich und ich fand mich in einem Einzelzimmer wieder. Man sagte mir, dass ich mich ins Bett legen könnte bis der Arzt kommen würde. Ich machte mich also bettfertig, da ging auch schon die Tür auf und Dr. S. kam mit seiner Armada im Schlepptau an und stellte mir tausend Fragen und ich antwortete lallend, stets bemüht meine Entzugserscheinungen zu verbergen. Ich bekam das EKG angeschlossen, wurde gründlichst untersucht, die Medikation wurde festgelegt und dann verließen sie mich auch schon wieder. Alles 20 Minuten kam jemand von der Pflegerei herein, weckte mich und sah sich meinen Zustand an. Das hängt damit zusammen, dass es viele Alkoholiker gibt, die sich schon mit Suizidalgedanken beschäftigt haben und/oder schon versucht haben sich von dieser Welt zu befördern. Als ich zwei, drei Tage später aufstehen konnte und mich wankend zum Raucherzimmer begeben wollte, ging ich an der Kaffeeküche vorbei und wollte mir eine Tasse Kaffee holen. Ich war nicht in der Lage mir einen Kaffee einzuschenken, so sehr zitterte mein Körper. Ja, mir schossen die Tränen in die Augen…. Nicht weil ich mir so leid getan habe, nein, ich habe mich vor mir selber zutiefst geschämt. Ja, ich war traurig und habe lange gebraucht anderen Menschen in die Augen schauen zu können. Mein Selbstbewußtsein war am Ende. Schuldgefühle waren auch so ein Thema, darauf möchte ich in einem anderen Kapitel zurückkommen. In dieser Kaffeeküche sprach mich dann ein Mitpatient an, er hieß einfach nur „Icke“. Icke war Berliner mit einer großen Klappe und einem noch größerem Herz. Der sagte:“Pass ma uff. Du brauchst Dir hier nich zu schämen. Weeste warum? Weil wir ALLE hier Säufer sind und fast alle ham jenauso jehampelt wie Du jetze, weeste. So, unnu komm, ick nehm den Kaffe und dan jehn wa in die Raucherbude.“ Dann nahm er den Kaffeebecher, der nur halb gefüllt war und ging vor, ich „hampelte“ also brav hinterher. Mit beiden Händen zitterte ich den Kaffee zum Mund und trotzdem lief mir das Gebräu auf das T-Shirt. Keiner hat gelacht. Keiner hat einen doofen Kommentar gemacht. Alle wussten was man durchmachte und alle haben geholfen wo sie konnten. Weil wir alle dasselbe Problem hatten. Icke und ich haben später noch lange zusammen in der Langzeittherapie zugebracht. Doch auch dazu mehr… Später. Ich bekam zum ersten Mal mit, wer so alles mit auf der Station war. Da gab es einen Arzt, einen Rechtsanwalt, einen Maurer, ein paar Rentner, ein Richter, ein paar Dauergäste, einen Koch, eine Sekretärin, eine aus einer Bank…. und mich. Alle sozialen Schichten waren vertreten. Und wir hatten eines gemeinsam: Wir waren alles Alkis. Säufer der schlimmsten Sorte, mal gesellschaftlich geschrieben. Wir wurden unregelmäßig in die Pflegerei gerufen um uns pusten zu lassen, Kontrolle muss sein. Wir konnten essen wann wir wollten, zusätzlich zu den drei Mahlzeiten, an denen die Teilnahme Pflicht war. Ob man was essen wollte oder nicht. Alkoholiker neigen zu Appetitlosigkeit, da sie normalerweise das, was man essen konnte auch in flüssiger Form zu sich nehmen konnte. Aber mit der Zeit kommt der Hunger und Appetit wieder.
Nach einer Woche der Eingewöhnung gab es dann die erste Stufe der Entwöhnung. Ein geregelter Tagesablauf: Aufstehen, Frühstücken, pusten gehen, Tabletten unter Aufsicht nehmen, Morgenrunde mit therapeutischer Begleitung, Terminverteilung, Spaziergang, Mittagessen, Tabletten nehmen, Pause, Freigang in Begleitung von Mitpatienten, pusten gehen, Einzelgespräche, Abendessen, Pillen nehmen, Abendrunde mit therapeutischer Begleitung, Bettruhe. Zwischendurch weitere Untersuchungen der inneren Organe -insbesondere Leber und Nieren, Bewegungstherapie etc….
Die Krankenkassen bezahlten diese Art der Entgiftung 4 Wochen lang, danach wurde man normalerweise wieder entlassen. Die meisten, die nach der qualifizierten Entgiftung nach Hause entlassen wurden kamen mit 80 bis 85 prozentiger Sicherheit bald wieder. Die Rückfallquote war und ist sehr hoch. Mittlerweile hatte der Sozialdienst sich um eine Entwöhnungstherapie für mich bemüht. Das bedeutet: Ein Alki, der entgiftet hat, ist entgiftet. Nicht mehr und nicht weniger. Ist er deswegen nicht mehr süchtig? Er hat als keinen Alkohol oder seine Rückstände mehr im Körper. Physisch ist er clean. Jedoch sind die allerwenigsten in der Lage nach der Entgiftung trocken zu bleiben und manche wollen es auch gar nicht. Wie sieht es aber mit der psychischen Abteilung des Alki´s aus? Keinesfalls ist er auch im Hirn trocken. Auch meine Gedanken kreisten ständig um Alkohol, dem Stoff der berauscht, der lustig macht, der beruhigt….. Suchtdruck entsteht (auch heute noch in bestimmten Situationen) im Kopf. Und wenn man nicht gelernt hat mit dem Suchtdruck umzugehen, landet man schneller auf der Intensivstation als man eigentlich möchte.

Lieber Leser, stellen Sie sich doch mal vor Sie fahren jeden Tag mit dem Auto eine 10 KM lange Strecke zu Ihrem Arbeitsplatz. Tagein, tagaus. Und zurück. Natürlich nehmen Sie, die für Sie angenehmste Strecke. Jetzt ist diese Strecke erstmal gesperrt und Sie müssen einen Umweg fahren der nochmal 10 KM mehr für Sie bedeutet. Das heißt, Sie müssen früher losfahren, damit sie pünktlich an Ihrem Arbeitsplatz sein können.
Genauso sieht es im Kopf eines Süchtigen aus. Jahrelang drehte sich alles nur um den Alkohol. Jahrelang trainierte er sich mit System zu betrinken. Er entwickelte Strategien um heimlich trinken zu können. Diesen Weg des Alkohols professionalisierte er, jahrelang. Nun soll es von jetzt auf gleich ohne Alkohol gehen? Draußen in der realen Welt und nicht mit der schützenden Glocke in der man sich auf der Station befand? Von jetzt auf, gleich ohne eine vernünftige Strategie? Freunde, das geht schief. In den meisten Fällen.
Nachdem also auch meine Zeit gekommen war und ich mich mitten in einer alkoholischen Depression befand, fand mein Entlassungsgespräch statt. Man eröffnete mir, dass ich schon vor meinen Eskapaden an einer Depression litt. Man müsste mich dennoch entlassen. Auf meinen Einwand hin, dass ich es wahrscheinlich nur bis zum Bahnhof schaffen würde und da die nächste Kneipe wäre und noch andere vernünftige Gründe hatte, die ich vorbrachte, steckte das Ärzteteam die Köpfe zusammen und beriet meinen Fall noch einmal. Das Ergebnis war, dass ich auf eine halbgeschlossene Abteilung der Psychsomatik verlegt wurde. Erstens um meine Depri zu behandeln und zweitens um mir einen geschützten Aufenthalt zu ermöglichen bis die Bewilligung zur Langzeittherapie eintraf. Das dauerte weitere 3 Wochen. Zusammen mit anderen Alki´s und Konsumenten anderer illegalen Substanzen. Und halbgeschlossen hieß, wir konnten zwar nach Erlaubnis raus aus dem Haus, aber kein Fremder (Dealer, Boten etc) hinein. Die Kontrollen waren streng, trotzdem schafften es immer wieder welche irgendwelchen Stoff auf die Station zu schmuggeln. Wenn man sich an die Regeln hielt, passierte nichts Schlimmes. Tickte man aus, gab es Möglichkeiten wieder Ordnung zu schaffen. Ich habe es gesehen und es sah nicht wirklich nach Kuscheln aus. Ich nahm meine Medi´s und kam in eine „Egal“-Stimmung. Therapiegespräche, Anwendungen aller Art und Einzelgespräche kamen und gingen. Und dann die erlösende Mitteilung, dass die Rentenversicherung der Langzeittherapie zugestimmt hatte und der nächste Schritt in Richtung „Neues Leben“ konnte beschritten werden.

Eine alkoholische Depression bedeutet, man fällt in das depressive Loch, weil sich das ganze Leben um das Beschaffen und Verzehren von Alkoholika dreht. Arbeit, Familie und anderes gerät in den Hintergrund. Da geht eine Menge Zeit drauf. Auf einmal fällt der Punkt Alk weg. Was bleibt ist eine Menge Zeit zum Nachdenken. Grübeln. Verzweifeln. Ohne Hilfe wird auch das nichts, denn ohne Lösungsansätze kann das sehr gefährlich werden. Hatte man vor der Säuferkarriere schon eine Depression, kann diese sich noch viel schlimmer auswirken. Saufen ist schon keine gute Idee. Depression (möglichst noch in Verbindung mit Suizidgedanken) ist die schlechteste Kombination, die sich jemand vorstellen kann.

Die Leber – eine kleine Aufklärung…

Das Selbstdiagnosebuch vom Weltverlag hilft bei diesem Thema nicht wirklich weiter, dort kommt man allenfalls bis zur Fettleber. Schauen wir etwas genauer hin:

Mal abgesehen davon, dass der Alkohol nahezu alle Teile des Körpers in Schutt und Asche legen kann, ist die Leber die letzte Bastion welche bei Alkoholabusus (Abhängigkeit) fällt. Nur mal nebenbei, Alkoholmißbrauch kann sogar die Frisur verändern. Indem er nämlich in Produktion und Abbau des Sexualhormons eingreift, welches übrigens auch für den Haarwuchs zuständig ist.

Die Leber ist praktisch gesehen der Partylöwe unter den inneren Organen, den sie macht für eine lange Zeit den alkoholischen Schabernack mit. Dabei hat sie eigentlich auch ohne Alk den ganzen Tag eine Menge zu tun, ist sie doch unser innerer Wertstoffhof für sämtliche anderen Zufuhren. Sie braucht für ihre Arbeit die höchste Energiezufuhr und ist das bestdurchbluteste innere Organ. Neben dem Gehirn. Ich möchte mal aufzählen welche Aufgabe sie im Körper erfüllt:

Speicherung von Vitaminen, Kohlehydraten und Fetten,
Entgiftung bzw. Entsorgung von Giften,
Bildung der Galle,
Eiweiß-, Kohlehydrat und Fettstoffwechsel

Von ihr sind alle abhängig: Das Immunsystem, die Fingernägel, der Hormonhaushalt und das Oberstübchen, somit auch die Gemütsverfassung.

Dauert der alkoholische Schabernack an, geht sie in die Knie. Und weil sie eine Menge ab kann, wird sie nie Schmerzen signalisieren. Und das wiederum ist der Grund, dass Erkrankungen der Leber eher zufällig oder sehr spät entdeckt werden.
Ist die Leber überfordert von der Menge an Alk, vernachlässigt sie zuerst den Fettabbau um sich besser auf die Entsorgung von Gift zu konzentrieren. Im Umkehrschluss bedeutet das, das die Leber das Fett zwischen den Leberzellen stapelt. Ergebnis: Leberschwellung, dann Fettleber. Allerdings reicht es um eine Fettleber zu erhalten auch, wenn man kohlenhydrahtreiche Fettfresserei betreibt oder sich mit bestimmten Medikamenten zudröhnt. Aber da wir gerade beim Thema Alk sind, bleiben wir auch dabei. Eine Fettleber kann sich zurückbilden, wenn man sich abstinent verhält und die Schweinerippchen mit Salat tauscht.

Lässt man sie jedoch nicht regenerieren, kann die nächste Stufe zünden, die Alkoholhepatitis, diese Leberentzündung gibt es in den Modellen Akut, Persistierend (hartnäckig) und Chronisch. Wie gesagt, völlig schmerzfrei, Symtome sind lediglich Druck- und Völlegefühl im rechten Oberbauch, Antriebslosigkeit und Leistungsminderung und kommt bei mindestens 80 bis 90 Prozent aller Trinker vor.
Bei der akuten Leberentzündung überleben bei absoluter Abstinenz 80 Prozent die nächsten 7 Jahre. Das ist Fakt. Symptomatik hier: Erbrechen, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Gelbsucht, Fieber, Schläfrigkeit.
Bei allen Entzündungen der Leber sterben Zellen ab. Zellen die so wichtig für das Überleben des Menschen sind.

Zum Schluss kommt noch die Zirrhose. Bei dieser sterben die Zellen in Massen ab und an ihrer Stelle bilden sich Narben, Knötchen und funktionsloses Bindegewebe. Das Blut kann nicht mehr in die richtigen Bahnen fließen und schießt nach hinten und oben durch die Adern zurück, anstatt durch die Pfortader ins Herz zu gelangen. Folge: Pfortaderhochdruck. Es bilden sich Krampadern in den Venen der Speiseröhre. Wenn diese einreisst… gute Nacht, dann wird Blut gekotzt. es kann aber auch sein, dass freie Flüssigkeit, wie z. B. Galle in den Bauchraum gepresst wird. Der Bauchumfang nimmt zu und das Ganze nennen wir Aszites.
Da die Entgiftungsfunktion nur noch eingeschränkt tätig ist wandern giftige Substanzen wie z. B. Ammoniak (fällt bei Abbau von Proteinen an und wird normalerweise von der Leber entsorgt) direkt ins Oberstübchen und giften sich dort aus. Folge: Konzentrationsstörungen, Verschlechterung des Kurzzeitgedächtnisses, Einschränkung des logischen Denkens, Bewußtlosigkeit und Koma. Kurz Ballaballa. Klingt hart, ist aber so.

Im Übrigen ist die Zirrhose nicht heilbar, allenfalls zu stoppen und sollte man dann nicht langsam über Abstinenz nachdenken… Dann war´s das. Ein zweites Leben ist nicht drin.

So, bis hier erstmal die Leberfunktion hoffentlich verständlich erklärt.

Im nächsten Beitrag geht es nicht so wissenschaftlich zu, eher möchte ich generell etwas über diese Krankheit der Sucht, Folgen der Sucht, Lösungswege und allgemeine Gedanken schreiben.
Mit diesen Blogbeiträgen möchte ich keinesfalls irgendwen frei von Schuld sprechen, so er/sie sich etwas zuschulden hat kommen lassen. Jeder ist für sein Handeln und Tun verantwortlich.
Allenfalls möchte ich die Krankheit und deren Verlauf erläutenr und ggf. erklären.

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Entgiftung in der qualifizierten Klinik und wie ich doch nicht sterben wollte.

Entgiftung in der qualifizierten Klinik und wie ich doch nicht sterben wollte.

Ich wurde in eine Einrichtung gebracht, in der eine qualifizierte Entgiftung angeboten wurde. Den Unterschied zwischen einer Entgiftung und einer qualifizierten Entgiftung möchte ich kurz erläutern.

Normalerweise ist es so, dass unser Körper den Alkohol relativ schnell abbauen kann. Bei einem normalen Konsum. Spiegeltrinker, wie ich einer war und die einen ständigen Spiegel zwischen 2 und 4 Promille im Blut haben, unterliegen, wie schon beschrieben, anderen Umständen und sind beim Entzug anderen Gefahren ausgesetzt. Deswegen gibt es eine qualifizierte Entgiftung, in welcher im besonderen Maße auf die Patienten geachtet wird in Begleitung des psychologischen Dienstes und einem sozialen Dienst obendrein. Die Betreuung ist intensiver als wenn man in einem normalen Akutkrankenhaus entgiftet. Und wesentlich kostenintensiver.

Der „normale“ Mensch, gesund, ausgeglichen und psychisch stabil reibt sich nach einem Gelage kurz die Schläfen, schmeißt eine Aspirin ein, je nach Katerstärke, dazu eine Tüte Salzbrezeln, ein paar Liter Wasser und wendet sich der spröden Tagesordnung zu. Amateure eben.
Profis, wie ich einer war, reagieren bei einem Entzug wie bei einer Lebensmittelvergiftung.
Der niedrigdosierte Spiegeltrinker hat am Anfang noch nie so richtig über die Stränge geschlagen und womöglich hatte der noch nicht einmal einen echten Rausch. Trotzdem ist jeder Spiegeltrinkerkörper mit plötzlichem Abbau der gewohnten Dosis mal so gar nicht einverstanden und verlangt nach seinem Stoff. Diese Dosis variiert von Mensch zu Mensch. Nehmen wir mal die sprichwörtliche Oma, die dauerhaft ihren lumpigen Fingerhut Sherry trinkt, über den Dachdecker, der erst mit 1,9 Promille auf seinen Dachfirst kommt, bis hin zur Hausfrau mit ihrem morgendlichen Mittags- und Abendpiccolöchen. Alle Spiegeltrinker sorgen dafür, dass ihr System gleichbleibend versorgt wird. Das reicht ihnen aus und mehr muss auch nicht sein. Deswegen können sie jahrelang ohne sozial auffällig zu werden, ihren Verrichtungen nachkommen. Kommt aber jetzt etwas dazwischen, also unsere sprichwörtliche Oma bekommt einen Oberschenkelhalsbruch (zum Beispiel) und braucht ihren täglichen Klosterfrau…. Ja was dann? Dann wird nicht schlecht gestaunt, wenn Omi voll auf Turkey ist und es wird gefragt:“Omama, trinken Sie etwa?“ Und dann muss der Krankenhausseelsorger gerufen werden, der der Oma beibringen muss, dass sie drogenabhängig ist… Ihr seht also, es kann jeden treffen.

Wo wir gerade von „es kann jeden treffen“ sprechen. Das größte Schreckgespenst bei Entzügen ist der eleptoide Krampfanfall. Dieser kann jeden treffen, es spielt keine Rolle ob man schon die AOK-Plakette für die 100ste Entgiftung bekommen hat oder niedrigdosiertes Spiegeltrinken betreibt. In der wundersamen Welt des Alkoholismus ist alles möglich. Alkohol ist nicht wirklich auch nur ansatzweise berechenbar. Demzufolge kommt Delirium und Krampfanfall nicht nur bei Schwerstabhängigen vor, sondern eben auch bei minderschweren Fällen. Schnöde Fakten gefällig? Bitteschön: kurzandauernder, aber lebensbedrohlicher Zustand der Bewusstseinstrübung mit lebhaften Halluzinationen, Angst, Unruhe und/oder Wahnvorstellungen und erlebte Albträume.
Die gute Nachricht:
Etwas Haldol kann diesen Zustand beheben.

Die schlechte Nachricht:
Man landet wahrscheinlich längerfristig auf der geschlossenen Abteilung.

Die schlechteste Nachricht:
Schlägt Haldol nicht an, hat man sich höchstwahrscheinlich schon eine Psychose angesoffen, soll heißen, die Halluzinationen sind länger zu Gast, als man sie gerne haben möchte und das ist sehr schwer therapierbar. Es gibt aber auch eine

halbgute Nachricht für den Trinker als Solchen und soll keineswegs eine Entwarnung darstellen:
Die chronische Psychose trifft wesentlich häufiger Konsumenten von Pillen, Cannabis und Pilzen.

Also bitte, ein Profitrinker schafft den Entzug nicht mehr mit Aspirin und Heringsdipp. Da muss professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden.

Und by the way, bei Sedierung sinkt auch das Krampfrisiko und auch dafür gibt es mittlerweile Medikamente, die nicht abhängig machen, dementsprechend findet dann auch keine Suchtverlagerung statt. Zumindest nicht in der Engiftungsphase.

Im nächsten Artikel geht es um einen Schwerstarbeiter im Körper, der Leber. Und um meine Erfahrung auf Station.

In diesem Sinne

Lesen wir uns?
freric

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Aufhören ja – aber wie?

Aufhören ja – aber wie?

(Foto: Daniel Reche, Pexel, lizenzfrei)

Wieder verging einige Zeit und ich schlich mich durch das Leben. Mir war nicht langweilig, außerdem war ich, wenn ich betrunken war keiner, der negativ auffiel. Ich wurde nicht aggressiv, eher melancholisch, ich spielte recht gut Gitarre (heute auch noch!) und habe/hatte eine gute Stimme zum Singen. Ich war sehr unauffällig. Das war das Gute daran. Das war das Schlechte daran. Denn, je weniger ein Alki in der Öffentlichkeit auffällt, desto später kommt auch die Einsicht (Krankheitseinsicht) mit dem Trinken aufzuhören. Ich hatte genug zu tun. Zum Beispiel mit der Beschaffung von meinen Konsumgütern. Täglich bis zu drei Liter Schnaps zu kaufen ist eine Herausforderung und bedarf einiges an Ideenreichtum. Ich war ja bekannt im Ort. Da kann man nicht 6 mal die Woche zum Laden gehen und soviel Schnaps kaufen. Das fällt auf. Was sollen denn die Leute denken? Also wurden die Läden gewechselt. Mal kaufte ich hier, mal dort und dann wieder ganz woanders. Irgendwann hatte ich ca 10 bis 12 Läden zusammen, die ich dann besuchte und mein Zeug kaufte. Ich Idiot. Von vielen Seiten kamen sie aber doch, die gut gemeinten Ratschläge: Mach doch mal Pause. Trink doch nicht schon morgens. Trink doch mal Apfelschorle. Schon wieder Alkohol? Es gab tausend Ansprachen und ich hörte -vermeintlich- nicht auf sie.
Da es sicherlich interessant ist zu wissen, was im Kopf eines Alkis abgeht:
Sehr wohl habe ich mir die Worte angehört, sie verinnerlicht, und beileibe, ich wollte aufhören! Ich wollte es so sehr, dass ich etwas tat, was ich heute NIEMANDEN raten würde, da es einfach zu gefährlich ist. (Wenn man durch die Sauferei nicht eh schon ziemlich gefährlich lebt…) Ich sperrte mich mit einer Kiste Wasser in meinem Zimmer ein und wollte kalt entziehen. Damals wusste ich nichts von den Risiken, ich wollte einfach mal wieder das Richtige tun und aufhören zu trinken. Ich stoppte von 2000 Prozent auf 0. Mein Fehler. Und fast mein Tod! Als ich es nicht mehr aushielt vor Schmerzen und Winden, Zittern und Kotzen trank ich wieder und es hörte auf.
Ich trank weiter, das wollte ich mir nicht antun. Mit Tränen im Gesicht und Tränen in der Seele setzte ich die Flasche an und trank bis ich wieder klar denken konnte.
Eines Tages hatte ich einen Fahrradunfall, ich fuhr unbedacht durch ein Schlagloch und fand mich mit einem Trümmerbruch in der Hand auf der Erde liegend wieder. So musste ich ins Krankenhaus. Die Ärzte bekamen nicht mit, dass ich unter Strom stand, ich funktionierte ja normal. Die OP war für den nächsten Tag angesetzt und ich sollte speisentechnisch nüchtern bleiben. Mein Problem war, dass man im Krankenhaus keinen Alkohol zu kaufen bekommt und ich merkte meine Entzugerscheinungen schon. Ich bekam Angst. Übelste Angst. Dann, nach ein paar Stunden schaltete mein Hirn auf Not-Aus. Kein Film und kein Ton kam mehr an. Ich lebte zwar, aber mein Hirn machte erstmal Pause. Was in der Zwischenzeit geschah weiß ich nur aus den Berichten der Ärzte, die mich trotzdem irgenwie operierten. Leider kann ich mich an ein paar lichte Momente erinnern, in denen ich Trugbilder wie sprechenden Bäumen, winkenden Laternen und allerlei buntes Zeug gesehen habe um dann bald wieder in den Sumpf und in das Glück der Bewußtlosigkeit zurückfallen konnte. Ich wachte auf und lag ziemlich streng fixiert auf der ITS und guckte dumm. Der Himmel sollte anders aussehen, dachte ich mir. Mir ging es gut. Das hing aber eher mit den Medikamenten zusammen, die man mir gegeben hatte, damit ich mit dem Randalieren aufhörte. Die Ärzte hatten die Pfleger/innen angewiesen, mir regelmäßig Bier zu geben, damit ich den Spiegel halten konnte. Jetzt mag man denken: Bier im Krankenhaus? Ja, die Ärzte dürfen niemanden ohne dessen Einwilligung entgiften, da es den Tatbestand der Körperverletzung erfüllen würde. Hätte ich auch nicht dran gedacht.
Ich sollte noch 10 Tage dort bleiben und morgens, mittags und abends brachte man mir die Hopfenkaltschale und achtete darauf, dass ich sie trank. Ein, zwei Tage später ging ich in den Krankenhausgarten um ein Zigarettchen zu rauchen, setzte mich auf eine Bank zu einem jungen Mann. Ich unterhielt mich mit ihm und er erzählte mir, dass er hier im Krankenhaus eine Entgiftung machen würde. Ich, in meinem dusseligen Kopf, dachte da an illegale Drogen wie Kokain oder Heroin. Nein, nein er machte einen Entzug vom Alkohol.
Das gab mir schwer zu denken. Und ich dachte lange nach. Um dann doch kurzentschlossen auf Station zu gehen und mich bei der Schwester zu erkundigen. So schnell wie die gute Frau gelaufen ist um einen Arzt zu holen, der mich beriet, so schnell war auch das Bier auf dem Nachttisch verschwunden und durch ein Pillenschälchen ersetzt worden. Das Zeug in den Pillen hieß Distraneurin, und verhindert das Gehirnhälftenschlackern während dem Entzug. Es beruhigt das Hirn , das Zittern, das Schwitzen, die innerliche Unruhe, die Todesangst….all das bleibt. Da hilft kein Bitten, Flehen, Beten da musste ich durch. Gott sei Dank kam schon am nächsten Tag ein sehr fähige Ärztin und schlug mir vor, mich in ein anderes Krankenhaus zu verlegen, noch am selben Tag. Erstmals hörte ich von einer „qualifizierten Entgiftung“, eine Suchtstation, die sich auf solche Idioten wie mich spezialisiert haben. Ein Bett war auch frei, so dass ich eine „LeckmichamArsch“-Pille bekam und mit einem Krankenwagen, unter steter Kontrolle der Vitalfunktionen, dann dorthin gefahren wurde. Ich sollte sehen –
ich war nicht alleine. Wir waren (und sind) viele.

In meinem nächsten Kapitel dieser, von Herzen geschriebenen, Reihe geht es um Entgiftung im psychischen und physischem Sinn mit ein paar Erklärungen dazu. Viel persönliches, aber auch ein wenig theoretisches. (keine Angst es wird kein wissenschaftlicher Vortrag!)

Lesen wir uns wieder?

freric

„Hoffnung ist, in die sterbende Erde Samenkörner zu stecken.“

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Wie ich zum Säufer wurde… TEIL 1

Wie ich zum Säufer wurde… TEIL 1

Es ist eine lange Geschichte. Dazu möchte ich bemerken, dass ich mit meiner Geschichte keinesfalls Mitleid erregen möchte. Es ist nur die nackte Wahrheit, mit einem Seelenstriptease obendrein.
Zu meiner Story:
Icke bin Balliner, wa. Darauf bilde ich ma nüscht een, is aber so,wa.
Tut eigentlich auch nichts zur Sache. Meine leibliche Mutte war gerade 15 Jahre älter als ich zu meiner Geburt, ein halbes Kind. Mein Vater ist unbekannt. Die gute Frau hatte noch eine Mutter, die sich um sie mehr oder weniger gekümmert hat. Irgendwann kam das Jugendamt, weil das Mädchen nicht in der Lage war mit mir zu den üblichen Untersuchungen zu gehen und nahm mich mit. Ich litt an Unterernährung, Rachitis und war dehydriert. Mein Knochenbau war katastrophal, heute noch leide ich an den Folgen. Die Ärzte brachen mir den Hüftknochen und ich lag monatelang in einer Gipsschiene. Ich kann mich nicht daran erinnern, war ich doch noch zu klein und zu jung. Das Jugendamt übernahm das Sorgerecht und ich landete in einem Waisenhaus. Aus diesem Waisenhaus heraus kam ich zu Pflegeeltern, welche durchaus auch den Wunsch hegten mich zu adoptieren, was ihnen auch nach einiger Zeit gelang. Um Missverständnisse vorzubeugen: Ich benenne meine Adoptiveltern als meine Eltern. Meine Mutter und mein Vater, Meine leibliche Erzeugerin spielt in meinem Leben keine Rolle mehr, sie verstarb im Alter von 54 Jahren. Und dieser frühe Tod ist auf ihren ungesunden Lebenswandel zurück zu führen. It doesn´t matter, anyway.
Jetzt hat er aber Glück gehabt, möchte mancher denken. Einerseits ja, mich haben gut betuchte Menschen adoptiert, andererseits darf ich bemerken, dass eine glückliche Kindheit nicht mit Gold aufzuwiegen ist. Meine Kindheit bestand aus 4 Wänden, einer Tür, welche stets verschlossen wurde (von außen wohlgemerkt), einem Bett und einem Billyregal. Mehr nicht. Wenig bis keine Spielsachen, ein paar Bücher. Ende. Die Tür wurde geöffnet wenn ich zum Klo musste, es Essen gab oder mir gebracht wurde, es in die Kirche ging, Schule oder Kindergarten anstand. Das war es. Egal wo wir wohnten, ich hatte ein Gefängnis. Meine Mutter verdrosch mir seit ich denken kann mit diversen Haushaltsgeräten den Hintern und auf die Beine, auch festgebunden hat sie mich. Regelmäßig. Mein Vater war viel arbeiten und bekam nicht viel davon mit, sollte er es mitbekommen haben, so schaute er weg. Vielleicht liegt darin mein Hang zum Bondage und Spanking verankert, mag sein. Jedenfalls war es so, dass es unnormal war wenn ich nicht regelmäßig verdroschen wurde. Wenn man, seit man denken kann, auf Schläge konditioniert wird, gefesselt wird, fehlt es irgendwann, wenn dies nicht mehr geschieht.
Ich möchte nicht zu ausschweifend werden, es geht hier nicht um diese Geschichte. Nur manchmal fließen Tränen und Worte aus mir heraus und es tut mir auch heute noch gut, wenn ich es herauslassen kann. Nun, ich beendet meine 4. Klasse der Grundschule, hatte beste Noten, als meine Mutter sagte:“Entweder der Junge oder ich gehen.“ Kinder haben zwar oft das letzte Wort in diesem Falle aber mein Vater, der mich in ein katholisches Jungeninternat steckte. Dort habe ich es ein Jahr ausgehalten und dann bin ich achtkantig rausgeflogen, wegen mangelndem Sozialverhaltens. Ich habe die Klassenkasse geplündert, anderen Jungen die Zähne gerichtet und habe mit 11 Jahren angefangen zu rauchen. Das passt nicht so richtig für eine Chorknabenschule. So wurde ein anderes Internat gesucht und gefunden. Dies war aber mehr ein Heim für schwer erziehbare Jungs. Hier erst erfuhr ich Aufmerksamkeit, Achtung meiner Persönlichkeit und bekam dort altersentsprechend verantwortungsvolle Aufgaben. Meine erste sexuelle Erfahrung hatte ich auch dort -mit einem wesentlich älteren Jungen aus der Oberstufe. Davon vielleicht in einem anderen Blogbeitrag. Hier hatte ich auch meinen Erstkontakt zum Alkohol. Das ist für das erste nichts ungewöhnliches, man probiert das erste Bier und es schmeckt abscheulich, wärmt aber so schön den Bauch und man wird dusselig im Kopf. Dann auch den ersten Schnaps. Der macht etwas schneller dusselig im Kopf. Ich lerne schnell, es ist aber nichts was Sorgen bereiten müsste, allerdings, je früher man probiert, desto früher beginnt die psychische Konditionierung, die physische kommt lange später. Man wird nicht von jetzt auf gleich süchtig.

Bis hier erstmal. Hoffentlich liest das wirklich mal jemand.

freric

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