A true Story… by @Freric1973

Ich möchte Euch eine wahre Geschichte erzählen. Eine Geschichte, die Höhen und Tiefen hat. Einen Anfang und (noch) kein Ende.

Es begann, nachdem ich in Südniedersachsen meine Zelte aufschlug und ich mich in einem guten Restaurant als Servicekraft verdingte. Dort hatte ich ein kleines Zimmer angemietet und war dort als Kellner, Gärtner, Holzhacker, Hausmeister und was weiß ich noch alles, angestellt. An meinen freien Tagen ging ich meistens in die Stadt, um dort Leute zu treffen und meine Stammkneipe zu besuchen. Ich hatte mein Alkoholproblem schon, allerdings noch nicht so ausgeprägt wie zum Schluss. Dort traf ich einige nette Leute und natürlich auch sehr unangenehme Zeitgenossen. Da ich ein sehr ruhiger Mensch bin und war, verstand ich mich mit den meisten gut, die anderen mied ich oder wurde gemieden. In einer solchen Urkneipe sind Menschen aus den verschiedensten Berufsfeldern zu finden. Pfleger, Maurer, Kellner, Arbeitssuchende, Gärtner, Ärzte, Elektriker, Fliesenleger, Anwälte und so weiter. Man kennt sich, man trinkt etwas zusammen und manchmal kommt ein Geschäft dabei heraus. Eine Dame kam vielleicht ein oder zweimal in der Woche um Hallo zu sagen und die Sparfächer der Stammkunden zu leeren und zu prüfen. Sie hätte vom Alter her meine Mutter sein können. Sie stellte sich mit „Ich bin das Irmchen.“ vor und dieser Name war fortan in meinem Stammhirn eingemeißelt. Wir verstanden uns prächtig und freuten uns immer, wenn wir uns sahen. Natürlich kamen wir ins Gespräch und sie erzählte einiges aus ihrem Leben. Sie lebte mit jemandem zusammen, war Krankenschwester im örtlichen Krankenhaus und hatte einen Sohn aus einer anderen  Ehe. Dieser Sohn war schon groß und war schon lange ausgezogen. Auch ich erzählte aus meinem Leben, von meinen Seefahrten, meinen Studienzeiten, von meiner Familie. Ich war solo, aber nicht wirklich auf der Suche. Eines Tages kam sie wieder in die Kneipe, schlug die Glocke an der Theke, gab eine Runde und fragte, wer ihr bei ihrem Umzug von ihrem Lebensgefährten weg, in ein schöne eigene Wohnung helfen könnte. Es meldeten sich spontan 10 Leute. Das war toll anzusehen, jeder konnte etwas. Malern, Elektrik, tapezieren oder einfach nur Möbel schleppen. Auch ich meldete mich. Und so halfen wir alle Mann 2 Tage und Irmchen hatte eine hübsche Wohnung. Alleine. Zum Luft holen. Irmchen und ich sind im Laufe der Zeit richtig gute Kumpel geworden.
Nach einigen Jahren wurde es Zeit für mich die Stelle zu wechseln und ich blieb in derselben Stadt in einem anderen Betrieb. Ich suchte mir eine Wohnung, ging arbeiten und hatte durch diese neue Arbeit ein etwas geregelteres Leben was die Überstunden anging. Pech hatte ich mit dem Vermieter, der öfter in meiner Wohnung war als ich – in meiner Abwesenheit. Fristlos kündigte ich die Wohnung, drohte mit Anzeige und verließ diese. Nur wohin? So schnell ging es ja meistens nicht, wenn eine neue Wohnung gesucht wurde.  Ich war ziemlich ratlos und erzählte Irmchen davon.  Sie lud mich ein auf ihrer Couch zu schlafen, bis ich eine neue Bleibe fand. Dankend nahm ich an. Und es dauerte und dauerte. Wir verstanden uns prima, wir redeten viel über uns und die Welt, manchmal flossen Tränen. Wir trösteten uns gegenseitig. Halfen uns gegenseitig. Feierten und lachte zusammen. Irgendwann meinte sie, ich könnte eigentlich in das kleine Gästezimmer einziehen, welches sie dann auch gleich mit anmietete. Ich bezahlte einen minimalen Obolus und beteiligte mich an den Kosten für das Essen. Es war und ist auch noch heute eine wunderbare Freundschaft, ja mehr wie eine Freundschaft geworden. Mein Alkoholkonsum stieg trotzdem stetig, ein Vertragsangebot auf einem Schiff zu arbeiten konnte ich nicht annehmen, da mein Tremor in den Händen zu stark war. Ich war nicht diensttauglich. Irmchen machte mir deswegen nie Vorwürfe oder hielt mir Predigten. Natürlich stritten wir auch mal, aber das war nie von langer Dauer. Aus den paar Tagen, an denen ich bei ihr wohnte, wurden Wochen, Monate und Jahre. Wir wuchsen aneinander und für mich, wie für sie war es eine Mischung zwischen Freundschaft und Mutter/Sohn Beziehung. Ich hielt mich derweil finanziell mit Gelegenheitsjobs über Wasser und dies funktionierte ganz gut, bis ich sturzbetrunken mit dem Fahrrad stürzte und ich ins Krankenhaus musste, wo ich mich nach einer chirurgischen OP einer Entgiftung unterzog. Es standen nicht viele Menschen an meiner Seite. Irmchen schon. Sie hielt mir den Rücken frei, regelte vieles in meiner Abwesenheit für mich, sie war da und half mir, wo sie konnte. Als zitterndes Häufchen Elend, das ich war, konnte ich ohnehin nicht klar denken. Entzug ist kein Kinderspiel und nicht mal eben so zwischen Suppe und Kartoffeln erledigt. Auch in meiner Zeit in der mehrmonatigen Entwöhnungstherapie war sie für mich da, unterstütze mich, half, wo sie konnte. Ihr Sohn kam häufiger zu Besuch, es entstand eine Freundschaft zwischen ihm und mir. Wir hatten gemeinsame Interessen und somit immer Gesprächsstoff. Irmchen lernte einen neuen Mann kennen und heiratete ihn. Wir kannten uns schon von früher und er akzeptierte meine Anwesenheit im Haus und so lebten wir zu dritt einige Zeit zusammen. Ich musste zweieinhalb Jahre eine Umschulung machen, wohnte derweil in einem Internat und kam jede zweite Woche nach Hause. Vor der Umschulung lernte ich übrigens meine heutige Frau kennen. Auf einem Dorffest, auf dem ich half Kuchen an die Leute zu bringen, hatte sie mich auserkoren. Unsere Hochzeit feierten wir mit vielen Menschen, die uns wichtig waren. Auch mein Irmchen und ihr Mann. Und irgendwann bin ich zu meiner Frau aufs Dorf gezogen. Dieses Dorf ist nur einige Kilometer von Irmchen entfernt, wir sehen uns häufig, manchmal bringen wir unsere Tochter mit. Dann freut sich jemand ganz besonders.

Gestern hatte ihr Sohn einen dreifachen Herzinfarkt, liegt an der Dialyse und es sieht nicht gut aus. Es wird in diesen Minuten Zeit Abschied zu nehmen. Ich sitze in meinem Büro und kann nicht zugegen sein, fahre nach dem Dienst aber sofort zu ihr. Ich will für sie da sein. In diesen schweren Stunden. In denen keine Worte trösten können. Ich möchte nur da sein.

 

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